Ein paar Infos rund um Plastik

Der Aufstieg der Quietsche-Ente

„Wichtige Merkmale von Kunststoffen (umgangssprachlich Plastik) sind ihre technischen Eigenschaften, wie Formbarkeit, Härte, Elastizität, Bruchfestigkeit, Temperatur- und Wärmeformbeständigkeit und chemische Beständigkeit“… So der Wikipedia-Artikel „Kunststoff“. Während die Erfindung der wichtigsten Kunststoffe zwischen 1850 und 1950 stattfanden, begann der Aufstieg von Plastik erst, als die petrochemische Industrie entdeckte, dass sich Chlor, als Abfallprodukt der Produktion von Natronlauge als Ausgangsstoff für die Plastikproduktion verwenden ließ. Das so, günstig zu produzierende PVC läutete zusammen mit Polyethylen (unsere heutigen „PET“-Flaschen) und seit 1954 auch Polypropylen (Verpackungen u.a.) den Siegeszug der Kunststoffe ein.

 Eine beeindruckende Bilanz

Zwischen den Jahren 1950 und 2015 wurden weltweit etwa 8,3 Milliarden Tonnen Plastik produziert. Das entspricht zu diesem Zeitpunkt bereits über einer Tonne Plastik pro Mensch, der heute auf der Erde lebt. Bei einer Jahresproduktion von etwa 400 Millionen Tonnen (Tendenz steigend), lässt sich erahnen, dass die 10 Milliarden Grenze zum heutigen Zeitpunkt bereits überschritten ist. Nur etwa neun Prozent der seit 1950 hergestellten Kunststoffe sind recycelt worden. Nach aktuellen Schätzungen sind etwa 40 Prozent in weniger als einem Monat nach der Produktion wieder Abfall.

Qualität und Quantität

Was sagt uns dies also? Wir produzieren Unmengen dieses sehr nützlichen Produktes. Die Eigenschaften sind variabel und besonders im Verpackungsbereich aus hygienischer und lebensmitteltechnologischer Sicht unschlagbar. Vor dem Plastikboom haben sich „gute“ Produkte noch durch hohe Haltbarkeit und dauerhafte Benutzung ausgezeichnet. Da allerdings auch eine Lieferkette einfacher und internationaler werden kann, wenn die Verpackung am Ende einfach entsorgt wird und da Plastik auch für den Konsumenten so schön einfach in der Handhabung ist, dürfen wir uns nun schon seit einigen Jahrzenten „Wegwerfgesellschaft“ nennen. Hinzu kommt ein wahrer Convenience- und Kleinstportionierungswahn, wodurch das Verhältnis von Produktmenge zu Verpackungseinsatz immer kleiner wird. Der allgemeine Verbrauchertrend geht hin zu immer einfacherer Zubereitung von Mahlzeiten… Plastik macht es möglich.

Im Meer

Die Folgen des Ganzen sind den Meisten vor allem in Form von Bildern der Meeresverschmutzung bekannt. Die Schildkröte verfangen in Plastikfolie, der Meeresvogel, der mit einem Magen voll Plastik verhungert, oder auch der Great Pacific Garbage Patch mit seinen 1,6 Millionen Quadratkilometern Ausdehnung. Wenn man jetzt noch den Fakt hinzufügt, dass sich nach aktuellen Schätzungen nur etwa 0,5 Prozent des Meeresplastik an der Meeresoberfläche treiben und der Rest unter Wasser in verschiedenen Wasserzonen zu finden ist, so werden diese Bilder umso bedrückender. Das Mittelmeer ist übrigens der Rekordhalter der am stärksten verschmutzen Gewässer. Mit nur knapp einem Prozent Anteil an den weltweiten Gewässern beherbergt es rund sieben Prozent des globalen Mikroplastiks. Der Eintrag von Plastik ist immer abhängig von der jeweiligen primären Nutzung des Meeresgebietes. Während im Mittelmeer der Großteil des Eintrags auf den küstennahen Tourismus zurückzuführen ist, sind in der Nordsee 40 Prozent des Eintrages auf die maritime Industrie, die Schifffahrt und besonders die Fischerei zurückzuführen. In der Ostsee stammt der Hauptanteil wiederrum aus dem Tourismus.

Auf dem Festland

Obwohl das Plastikproblem im Meer allgegenwärtig ist, wird der wesentliche Anteil am bisherigen und aktuellen Plastikmüll auf dem Festland entsorgt. Schätzungen gehen davon aus, dass von den weltweit mehr als 400 Millionen Tonnen Plastik, die jährlich produziert werden, etwa ein Drittel in unterschiedlicher Form in Böden und Binnengewässern landet. Dabei ist der Verschmutzungsgrad durch Mikroplastik zwischen vier- und 23-mal höher als im Meer. Die Erforschung der Auswirkungen von Mikroplastik auf Böden und in diesem Kontext auf die Ernährung des Menschen steht erst am Beginn. Klar ist jedoch, dass Mikroplastik die Struktur der Böden, wie auch den Lebensraum der darin befindlichen Lebewesen, welche für die Fruchtbarkeit der Böden so wichtig sind, beeinflusst und zudem durch seine chemischen Eigenschaften wie ein Schadstoffmagnet wirkt. Ein großer Faktor auch in Europa ist hierbei die Ausbringung von Klärschlamm, durch die ein hohes Maß an Mikroplastik direkt in auf den Boden abgegeben wird.

Der deutsche Beitrag

Auch wenn das Mittelmeer der traurige Rekordhalter ist, kann sich aus deutscher Sicht nicht zurückgelehnt werden. Sowohl Nord- und Ostsee wie auch unsere Flüsse, die ein weiterer Hauptplastiklieferant für die Meere sind, weisen einen hohen Mikroplastikgehalt auf. Hinzu kommt, dass Deutschlands Plastikbilanz keineswegs positiv ausfällt. Deutschland steht auf Platz eins der größten europäischen Plastikproduzenten und mit einem Verbrauch von 38 Kilogramm/Jahr Plastikverpackungsabfall pro Kopf sind nur Luxemburg, Irland und Estland schlechter als wir. Außerdem ist Europa nach China globaler Plastikproduzent Nummer Zwei. Auch in puncto Recycling stehen wir nicht gut da. Eine offizielle Recycling-Quote von 46% im Jahr 2016 klingt zwar erst einmal gut, allerdings ist dies jedoch lediglich der Anteil am Plastikmüll, der in Form unserer gelben Säcke/Tonnen in der Müllverwertungsanlage landet. Nicht alles davon wird recycelt. Nimmt man die Gesamtmenge der anfallenden gebrauchten Kunststoffprodukte als Grundlage, so wird in Deutschland nur etwa 15,6 Prozent zu Rezyklat (einer formbaren Ausgangsmasse/-pellets zur Weiterverarbeitung). 7,8 Prozent sind mit Neukunststoff vergleichbar was wiederrum 2,8 % der in Deutschland verarbeiteten Kunststoffprodukte ausmacht. Von erfolgreichem Recycling zu sprechen fällt dabei schwer, von einer Kreislaufwirtschaft erst recht. Da die die Produktion von Rezyklat aufwendig und teuer ist, exportieren wir nach wie vor ein Großteil unseres Plastikmülls in Drittländer, meist nach Asien und sind auf Platz Drei der weltweiten Plastikexporteure.

Gesundheitliches

Während die Folgen der ausufernden Plastikproduktion für die Umwelt zu großen Teilen bekannt und unübersehbar sind, bleiben die gesundheitlichen Folgen für den Menschen oft im Hintergrund. Im Lebenszyklus des Plastiks gibt es hierbei eine Vielzahl von empfindlichen Kontaktpunkten. Angefangen beim Ausgangsrohstoff Erdöl oder Erdgas. Dabei insbesondere bei der Gewinnung durch umstrittene Fracking-Verfahren. Weiterhin werden bei der eigentlichen Produktion von Plastikartikeln eine Vielzahl von Additiven wie z.B. Weichmachern hinzugefügt um dem Plastik seine jeweiligen Eigenschaften zu Verleihen. Viele dieser Additive sind gesundheitsschädlich. Da diese Additive im Plastik nicht fest gebunden sind, entweichen sie mit der Zeit, wodurch sie sich in Innenraumluft und Hausstaub anreichern, gelangen so also in Schlaf- und Kinderzimmer und über die Atmung in den Körper.

Im Blut von schwangeren US-Amerikanerinnen wurden im Schnitt 56 verschiedene Industriechemikalien gefunden. Viele dieser Stoffe kommen auch in Plastikprodukten vor. Deutsche Untersuchungen zeigen, dass vor allem Kinder sehr stark mit Weichmachern belastet sind, die sich unter anderem auf die Fortpflanzungsfähigkeit auswirken können.

Besonders besorgniserregend ist dabei eine Gruppe hormonell wirksamer Substanzen, zu denen auch viele Weichmacher gehören. Diese Substanzen können das fein austarierte Hormongleichgewicht des Köpers beeinflussen. Eine Vielzahl von Erkrankungen wird mit diesen hormonell wirksamen Substanzen in Verbindung gebracht. Dazu gehören Brustkrebs, Unfruchtbarkeit, verfrühte Pubertät, Fettleibigkeit, Allergien und Diabetes. Im Laufe des Lebenszyklus über die Stationen, Nutzung, Entsorgung und Zerfall werden immer mehr dieser Additive frei und in die Umwelt abgegeben. Mikroplastik und freigesetzte Chemikalien können so, durch Atmung, orale Aufnahme oder Hautkontakt in den Körper gelangen.

Plastik im Hotel

Wie viel Einweg-Plastik in einem Hotel tatsächlich verbraucht wird, ist sehr unterschiedlich und abhängig von Kategorie, Art des Hotels und der Unternehmenskultur. Der dominierende Hauptteil des Plastikmülls ist in der Regel Verpackungsmüll. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass neben den offensichtlichen Mini-Nutella-Verpackungen am Buffet, den Shampoo-Fläschchen und den Einmalzahnbürsten auch eine Menge Plastik an nicht so offensichtlichen Stationen verbraucht wird. Sei es beim Housekeeping in der Küche oder in Büros und Back-Office. Der Gast bewertet die Vermeidung von Plastik und umweltfreundliche Alternativen mittlerweile durchweg positiv (auch hier lauern jedoch Stolpersteine. Nicht jede als umweltfreundlich beworbene Plastikalternative wird auch ihrem Ruf gerecht). Besonders die jungen Generationen erwarten die Vermeidung von Plastik und den bewussten Umgang mit Plastikalternativen. Eine internationale Umfrage aus dem „Booking Sustainable Travel Report 2021“ ergab, dass 84% der Befragten bei zukünftigen Reisen Abfall und Einwegprodukte vermeiden wollen. Große Ketten wie Melia, Marriot und Accor haben dem Einweg-Plastik bereits den Kampf angesagt und sind zumindest in Teilbereichen plastikfrei.

Zum Weiterlesen: https://www.boell.de/de/plastikatlas

Was Sie tun können?

Ja, die Zeiten sind schwierig. Wir haben harte Corona-Jahre hinter uns, die Personallage ist extrem schlecht und die wirtschaftliche Zukunft ist ungewiss. Doch wir glauben, dass wir uns deshalb nicht verstecken dürfen. Probleme, die da sind, sollten angegangen werden, um zukunftsfähig zu bleiben. Deshalb stehen wir bereit. Zum Thema Plastik im Gastgewerbe haben wir ein anpassbares Toolkit entwickelt. Dieses Toolkit beinhaltet u.a. die Erfassung aller genutzten Einweg-Plastik-Produkte, ein Tool zur Fortschrittsmessung, Trainings für ihre Mitarbeiter und Sie, einen Alternativen-Plan zu aktuell genutzten Einweg-Plastik-Produkten sowie die Außenkommunikation dieser Bemühungen. Wir können damit auf ihren individuellen Handlungsbedarf eingehen und mit Ihnen die richtige Lösung für Ihren Betrieb finden. Ob sie Reduzieren, Verzichten oder Austauschen wollen oder auch erst einmal nur ausloten, was möglich ist. Melden Sie sich und wir entwickeln einen Plan mit Ihnen für Sie. Schauen Sie gerne hier für weitere Informationen.

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Über den Autor

Andreas Koch, führender Experte für nachhaltigen Tourismus in Deutschland, widmet sich seit über 25 Jahren der Integration von Nachhaltigkeit als Erfolgsmodell. Als Nachhaltigkeits- und Qualitätsmanager bei TUI Deutschland sowie Gründer der bluecontec GmbH und Futouris e.V. hat er zahlreiche Destinationen und Hotels unterstützt. Seine inspirierenden Vorträge und Trainings fördern Nachhaltigkeit, Leadership und Anpassung im Tourismus. Koch betrachtet Nachhaltigkeit als grundlegende Haltung und fördert vernetzte Zusammenarbeit für eine zukunftsfähige Branche.